Die Frau des Pilatus

 

In einem Brief der freigelassenen Griechin Praxedis, der Vertrauten der Claudia Procula und Augenzeugin der Vorgänge, an Julia, die Gattin des Decius Gallicus zu Vienna, werden die damaligen Geschehnisse berichtet (Rahmen):

Nach einer Liebesnacht mit Pontius Pilatus erlebt Claudia Procula in einem Traum, wie sie durch sakrale Bauten künftiger Zeitalter wandert (die einzelnen Baustile der Romanik, Gotik, des Barock sind unverkennbar) und dabei immer wieder die Worte hört: „Gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben.“ Unmittelbar darauf bekommt sie den Prozess gegen Jesus mit und schickt Praxedis zu Pilatus, um ihn zu einem Freispruch zu bewegen. Doch Jesus wird verurteilt und Claudia Procula verändert sich. Der Blick des unschuldig Verurteilten hatte sie getroffen. Das in der Liebesnacht empfangene Kind wird tot geboren. Zurück in Rom leben Pilatus und sie nebeneinander her. Auch er hat sich verändert. Pilatus wendet sich anderen zu, sie besucht in ihrem religiösen Suchen die Sibylle von Tibur, die sie auf die Christen verweist. In den Gottesdiensten dort erfährt Claudia Procula, wer mit dem „Gelitten unter Pontius Pilatus“ gemeint ist. In der einsetzenden neronischen Christenverfolgung begegnen die Christen ihr jetzt aber ablehnend, da sie zwar an den Gottesdiensten teilnimmt, aber nie die Bitte um Taufe vorgetragen hat. Enttäuscht von der Selbstgerechtigkeit, die sie auch unter den Christen erfahren muss, wendet sie sich ab. Pilatus wurde inzwischen beauftragt, in Rom die Verfolgung der Christen zu übernehmen. Claudia Procula sieht darin ein Chance für Pilatus, das an Jesus begangene Unrecht wieder gutzumachen. Kurz darauf ist Claudia Procula verschwunden. In einem Brief teilt sie Praxedis ihren neuerlichen Traum mit, der dem ersten gleicht: Wieder durchschreitet sie die sakralen Bauten, die aber inzwischen zerfallen sind, und es erscheint Jesus auf dem Richterstuhl des Pilatus, über den er diesmal Gericht hält. Jesus gibt sich ihr als der zu erkennen, den sie immer gesucht habe. Denn „dem Erbarmen Christi kann niemand entrinnen“. Gleichzeitig muss Pilatus im Zirkus miterleben, wie Claudia Procula zusammen mit anderen Christen in den Tod geschickt wird. Pilatus will sich das Leben nehmen, aber Praxedis hält ihn zurück: Claudia sei für ihn gestorben, so wie auch Christus gestorben sei.

zurück