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  09.02.2006

Dichterstube in weiter Ferne

Verehrer von Gertrud von le Fort suchen nach einer Heimstätte für die Schriftstellerin

   

 

Von Peter Schwarz Oberstdorf - Von 1941 bis 1971 hat die Dichterin Gertrud von le Fort in Oberstdorf gelebt, Bücher geschrieben, mit Literaten korrespondiert. Sie ruht in einem Ehrengrab auf dem Friedhof. Gern würde Manfred Schäfer, Deutsch- und Religionslehrer am heimischen Gertrud-von-le-Fort-Gymnasium, zumindest die Erinnerung an das Werk der Ehrenbürgerin lebendig gestalten. Am besten in einer Dichterstube, wie es als Anhang an das geplante Tourismusmuseum im ehemaligen Rathaus geplant war. Doch alles ist in der Schwebe. Wie berichtet, bedauerte der Museumsverein in seiner Jahresversammlung, dass derzeit keine Aussage getroffen werden kann, ob im leerstehenden Verwaltungsgebäude am Marktplatz je eine Dokumentation der Oberstdorfer Fremdenverkehrs-Frühphase installiert werden kann. Ein angedrohtes Bürgerbegehren führte zum Stillstand der Bemühungen um dieses Novum der bayerischen Museumslandschaft. Bislang blieb eher im Verborgenen, dass sich auch die in Krefeld beheimatete Gertrud-von-le-Fort-Gesellschaft mit dem Oberstdorfer Vorstandsmitglied Schäfer Hoffnungen gemacht hatte, in dem Bauwerk eine literarische Gedenkstätte der „Kulturschaffenden von europäischem Rang“ einzurichten. Derzeit gebietet der Lehrer, der gerade einen Großteil des Nachlasses der Dichterin (1876 - 1971) bei sich zu Hause ordnet, lediglich über mehrere Ausstellungsvitrinen im Gymnasium.

 

„Aufmüpfiges Mädchen“ Heutzutage bringen Verlage allenfalls noch Taschenbücher mit kleinen Erzählungen der aus mecklenburgischem Adel stammenden Wahl-Oberstdorferin neu in den Buchhandel. Und die vom katholischen Gedankengut geprägten Romane, Novellen und Gedichte gelten als altmodisch. Dennoch ist Deutschlehrer Schäfer davon überzeugt, dass Gertrud von le Fort immer noch jungen Menschen viel zu sagen hat. „Das ist zwar eine schwierige Lektüre. Aber wer als Schüler einmal angebissen hat, liest das gern“, beschreibt der Pädagoge den Einsatz des Literaturwerks im Schulunterricht. Die Poetin, die mit den Schriftsteller-Kollegen Hermann Hesse, Carl Zuckmayr und Reinhold Schneider lebhaften Briefaustausch pflegte und sogar für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen worden war, galt als eine moderne Frau ihrer Zeit: Tennisspielerin noch im 19. Jahrhundert, Gasthörerin an der Universität etc. Als „aufmüpfiges adeliges Mädchen“, so Manfred Schäfer, schrieb sie Texte mit feinsinniger Ironie und Krimis, obwohl die bekanntesten in viele Sprachen übersetzte Werke lauten: „Der römische Brunnen“ und „Schweißtuch der Veronika“. Im virtuellen Auktionshaus „e-bay“ werden jedenfalls ihre Bücher immer noch gern versteigert. Jedenfalls hätte der 110 Mitglieder umfassende Verehrer-Kreis genug Anschauungsobjekte beieinander, um ein Literaturhaus in Oberstdorf auszustatten: Bücher, Korrespondenzen, Tondokumente von Lesungen, Presse-Artikel, Plakate, Fotografien, ein Tintenfass und die dazugehörige Streusandbüchse. Als Ergänzung kämen der im Heimatmuseum stehende Schreibtisch nebst Sessel sowie eine Bronzebüste im Kurhaus gerade recht. Falls es nicht doch noch mit dem Museums-Anhängsel im ehemaligen Rathaus klappt, stellt sich von-le-Fort-Verehrer Schäfer eine Dichterstube im frei werdenden Haus der Kurverwaltung am Marktplatz vor. Nur in die Villa Jauss, die sich als Ausstellungs-Halle einen Namen gemacht hat, würde die Literaturstätte nicht passen, glaubt Schäfer. Er baut nach wie vor auf die bisher gezeigte Unterstützung der Marktgemeinde, verweist aber auf drängelnde Konkurrenz. Gern würde das mecklenburgische Gut Boek als Heimatort der Dichterin die Oberstdorfer Ehrenbürgerin auf Dauer für sich reklamieren.

 
   
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